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Donnerstag, 31. Mai 2012

engel haben keinen hunger

Ihre Kindheit bestand nicht nur aus Kuchen und Geburtstagen.
Niemand gab ihr abends einen Gute Nacht Kuss, oder machte die Bibi und Tina Kassette aus wenn sie schlief.
Sie hatte kein kuscheliges Haustier das sie streicheln konnte wenn sie traurig war.
Es hab nur sie, die kleine Wohnung und die anderen die darin lebten.
Weil sie die älteste von den Kindern war musste sie alles allein machen. Sätze wie: Das kannst du auch allein, du bist doch schon groß.. waren an der Tagesordnung. Das Zimmer in dem sie schlief war nicht viel größer als ihr Bett aber sie liebte es, denn das war das einzige was wirklich nur ihr allein gehörte.
Mit fünf brachte sie sich lesen bei, doch es gab nicht viele Bücher in der Wohnung. Zuerst fand sie eine Bibel, doch die Schrift war zu klein und sie beschloss sich das zu holen was sie nicht bekam.
Das Buch sah so schön aus im Laden. Ihre Mama wollte es nicht kaufen, weil es 'unnütz' war.
Also nahm sie es mit. Niemand bemerkte etwas. Und jeden Abend als sie im Bett lag holte sie das Buch und eine Taschenlampe hervor und vergaß für wenige Augenblicke ihr Leben, tauchte in die Fabelwelt der kleinen Fee Potilla ein. Als die Geschicht zu Ende war lies sie sie wieder und wieder. Manche Passagen kann sie noch heute auswendig. Die Geschichten trockneten die Tränen der Einsamkeit die sich ab und zu aus ihren Augen stahlen und sie stellte sich vor dass auch sie eine kleine Fee wäre.
In der Schule fand sie nur langsam Freunde, weil sie so still war. Meistens lief sie ziellos auf dem Schulhof umher und sah sehnsüchtig den anderen zu. Sie hatte noch nie jemanden zum Spielen gehabt. Ihr Bruder war noch zu klein und ihre Schwester wurde von den Eltern verhätschelt.
Eines Tages fing alles an. Sie kam von der Schule nach Hause, doch es gab wie immer nichts zu Essen. Sie war zu müde um sich etwas zu machen und ging in ihr Zimmer um zu lesen, dort schlief sie über dem Buch ein und als sie aufwachte war es schon spät. Ihr Magen knurrte doch sie traute sich nicht aufzustehen und etwas zu Essen in der Angst ihre Eltern zu wecken. Am Morgen war der Hunger verschwunden und sie vergaß zu frühstücken. Sie fühlte sich stark als ihr auffiel dass sie gestern nichts gegessen hatte. Da sie noch lebte konnte Essen gar nicht so wichtig sein wie alle immer sagten und sie beschloss sich wie eine richtige Fee nur noch von Träumen zu ernähren. Niemand bemerkte etwas. Sie wurde langsam unsichtbar, das gefiel ihr. Sie hatte das Gefühl die anderen durch eine große Glasscheibe zu betrachten, Geräusche drangen nur dumpf zu ihr durch. Als sie älter wurde lachten alle weil sie zu dünn war. Sie hatte keine Kurven, kein Junge mochte sie. Die Mädchen starrten sie neidisch an und fragten sich hinter ihrem Rücken wie sie das bloß machte. Doch sie war nicht glücklich damit und eines Tages als niemand zu Hause war, stopfte sie alles in sich hinein was sie finden konnte. Das Gefühl was in ihr aufkam war so schrecklich dass sie es nicht aushielt und mit aller Kraft wollte sie es wieder loswerden. In ihrer Wut schlug sie auf ihren Bauch ein, aber dadurch schmerzte er nur noch mehr. Endlich fühlte sie wieder etwas.
Es wurde zur Gewohnheit. Das erste Mal steckte sie sich den Finger in den Hals als sie im Wald war, es war ekelhaft, aber sie spürte dass sie noch lebte und das war alles was sie zu wissen brauchte.


2 Kommentare:

  1. pu, ich bin gerade sprachlos. dieser text ist wundervoll.

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  2. Liebe Sophie,

    meine liebe Sophie. Hätte ich eine Tochter, ich wünschte du wärst es. Du wirst das alles ändern. Ich glaube an dich!

    Ich hab dich lieb, kleine Schwester.

    Rain

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